Der Große Preis von Baden, liegt zwar jetzt auch schon wieder eine Woche zurück, hallt in der Erinnerung aber immer noch deutlich nach. Zugegeben, man ist hier von dieser Stelle aus vielleicht ja nicht immer so ganz objektiv, oder sieht auch die Leistung der Stallpferde emotional mit einer etwas zu rosaroten Brille. Da ist interessant, wie nun ein neutraler Beobachter und mit etwas Abstand, den Verlauf und Ausgang dieser Gruppe I gesehen und bewertet hat.
Wer könnte besser dazu geeignet sein, als Harald Siemen und damit der Chef-Handicapper bei Deutscher Galopp. Seine jetzt im einem regelmäßigen Block veröffentlichte Sicht der Dinge, geben wir nachstehend gerne mal wieder im Originaltext zum Studium wieder.
“Nun ja – wir alle wissen, was wir an der Rennbahn Iffezheim haben, auch wenn es dort früher einmal etwas lauter zugegangen sein soll. Aber diesmal konnte man tatsächlich manchmal die Stille genießen und sich erholen. Aufregung gab es allerdings auch genug, und der überraschende Rückzug unseres Derbysiegers Fantastic Moon war gewiss eine große Enttäuschung für die zahlreichen Besucher. Es nahm dem 153.Wettstar Grossen Preis von Baden einen großen Teil seiner Faszination und auch die Derbyrevanche kam nicht zustande. Es ist zu bezweifeln, ob es noch einmal zu einem Aufeinandertreffen zwischen Fantastic Moon und Mr Hollywood kommen wird. Der Derbysieger soll jetzt erst einmal im Prix Niel am kommenden Sonntag in Longchamp laufen, weitere Ziel sind offen, Nennungen hat er danach nicht mehr. Für Mr. Hollywood kommen der Preis von Europa oder der Prix de l´Arc de Triomphe in Frage.
Was noch übrig blieb für den Grossen Preis war aber immer noch genug, um für Spannung zu sorgen. Leider bot sich nach dem Start wieder das in großen Rennen nun schon gewohnte und auch befürchtete Bild: pullende Pferde, kein Tempo, bis Mr Hollywood die Führung übernahm, in sehr moderater Pace. Als Sisfahan in der Gegengerade rasch aufrückte keimte Hoffnung auf, dass es schneller werden könnte, aber sein Reiter brach den Vorstoß auf halbem Wege ab. Eine alte Regel besagt, dass man während eines Rennens nur einmal kommen darf und damit war das Urteil über Sisfahan gesprochen, er wurde Letzter. Für den führenden Mr Hollywood sah es dagegen lange gut aus, man wähnte ihn schon als Sieger, doch sein Reiter machte die äußere Spur frei, der Favorit Zagrey konnte durchkommen und mit einem Hals Vorteil glücklich, aber auch verdient gewinnen.
Die Zeit des Rennens war mit 2:39,77 Minuten die langsamste seit 25 Jahren, damals brauchte Tiger Hill auf schwerer Bahn noch etwas länger. Es ist schon merkwürdig, dass gerade im Grossen Preis von Baden, unserem international bedeutendstem Rennen, die Zeiten immer langsamer werden. In den letzten 20 Jahren wurde das Rennen nur zwei Mal schneller gelaufen als in 2:30 Minuten, in den 20 Jahren davor war das neun Mal der Fall, bei insgesamt vergleichbaren Bodenverhältnissen (11 bzw. 12 Mal gut). Nun ist die Zeit ja nicht der entscheidende Faktor beim Pferderennen, aber als Handicapper fühlt man sich doch wohler, wenn die Rennen zügig gelaufen werden und sich hinterher nicht die Hälfte der Teilnehmer über den Rennverlauf zu beklagen braucht.
Die Handicapmarken der Teilnehmer haben sich nach dem Rennen nur wenig verändert. Über die 97 kg von Straight gerechnet, der eine Wiederauferstehung feierte und seine Form aus dem Union-Rennen wiederholte, ergeben sich für den Sieger Zagrey 98 Kilo. Das ist genau die Marke, auf die er auch zuvor bei seinen Platzierungen zu Westover in Saint-Cloud und zu Equinox in Meydan gekommen war. Mr Hollywood verbesserte sich um ein Kilo auf jetzt 97,5 kg, Quantanamera (93,5 kg) nähert sich wieder ihrer besten Form.
Hinter vorgehaltener Hand wurde nach dem Rennen geflüstert, dass Zagrey nicht ganz klar aus dem Rennen gekommen sei. Eine Bestätigung hat es noch nicht gegeben, als nächstes Ziel wurde der „Arc“ ausgegeben. Die Odds der englischen Buchmacher variieren zwischen 12:1 und 33:1, die für Mr Hollywood zwischen 33:1 und 100:1.”
Fotos: Marc Rühl